Die Trainingstage auf der Hahnweide sind geprägt von Warmluft. Kein Hauch bläst über die Alb. Bei fast jedem Flug pralle ich erst ein paar Mal an der Albkante ab, bevor ich dann, viel zu spät für große Strecken, den Abflug schaffe. Am letzten Tag nehme ich mir ein 400-km Dreieck als Aufgabe vor. Hahnweide – Rothenburg – Beilingries und zurück. Es reicht knapp nicht. Nach einem zähen letzten Schenkel über die frühzeitig abgetrocknete Südalb bin ich fast erleichtert über die Landung in Oppingen, einem Flugplatz etwa 30km von der Hahnweide entfernt, gelegen zwischen spätsommerlich hoch bewachsenen Feldern. Es sollte noch lange nicht die letzte Außenlandung der Saison sein. Mit nur einem Tag Pause geht es weiter zum Klippeneck. Ich bin noch nie zuvor dort gewesen. Der höchste Flugplatz Deutschlands, habe ich mir sagen lassen. Der Flugplatz und der allseits beliebte Wettbewerb wurden mir von Freunden empfohlen. Da aufgrund der Situation um die Corona-Krise viele Wettbewerbe abgesagt wurden, sollte das der einzige Wettbewerb der Saison sein.
Die ersten Tage stehen zum freien Training zur Verfügung. Mir kommt die frühe Anreise gelegen, da ich mit der Gegend nicht vertraut bin und eher selten in hügeligem Gelänge fliege. Vor allem das ansteigende Gelände beim Endanflug ist eine Besonderheit. Direkt am Ende des Platzes geht es steil Bergab. Der Ortsname verspricht nicht zu viel. In einem Moment sind es 50m bis zum Boden, im nächsten mehrere hundert. Das Ganze mit Panoramablick auf den Schwarzwald. Das Wetter hatte sich im Gegensatz zur vorherigen Woche deutlich verändert. Endlich ein paar Cumulus-Wolken, sogar mit ganz ordentlichen Reihungen, die dem starken Wind geschuldet sind. Der starke Wind und das viel zu Frühe Thermikende sind dann auch der Grund der nächsten Außenlandung, diesmal in Günzburg. Von hier kann mich niemand zurück schleppen. Ich warte also auf meinen Freund Uli, der mich zurück holt, während ich mir von der ansässigem Fallschirmspringergruppe alles über ihren Sport erzählen lasse. Beeindruckend, was die sich trauen. Die Faszination schien auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Als wir zurück kommen sind auch schon die anderen Freunde da. Alrik, der mit in der Clubklasse fliegt und Renate und Fabian, die mit dem Nimbus teilnehmen. Lena muss eigentlich lernen, ist aber als Rückholerin mitgekommen.
Das Wetter bisher war zwar nicht der Hammer, dafür sollte es im weiteren Verlauf so richtig schlecht werden. Erster Tag Rüstübung, zweiten Tag gecancelt, erst am dritten Tag geht es endlich richtig los: 220km AAT, ich bin motiviert. Zumindest, als ich im Flieger in der ersten Reihe sitze und mich fertig mache. Ich fliege spät ab, richtig spät. Kurz nach dem Abflug kommen mir die ersten in der Clubklasse schon entgegen. Ich fliege langsam, beobachte das unstetige Wetter. Die 2. Tonne kratze ich nur an, danach wird es schwierig. Südlich vom Kurs stehen Cumuli, die aber bestimmt 20km entfernt sind. Nördlich steht ein Schauer und davor brauen sich unstetig graue Wolken immer dichter zusammen. Malte ist südlich entlang geflogen, Alrik nördlich. Ich entscheide mich auch für die nördlichere Route. Am Schauer entlang finde ich schöne tragende Linien. Tröpfchen prasseln an die Haube, aber es steigt. Ein kleiner Sprung ist noch notwendig, um wieder auf die Alb hoch zu kommen. Der Restliche Flug erfordert nicht mehr so schwierige Entscheidungen. Genau an der Wettergrenze hatte sich inzwischen eine ausgeprägte Wolkenstraße gebildet, die mitten in den letzten Wendekreis führt. Ich fliege sie bis zum Ende aus, wende schließlich und muss über dem ED-R 132 noch einmal um die Endanflughöhe kämpfen. Hier treffe ich Malte. Er fliegt ab, ich bleibe im schwachen, unregelmäßigen Steigen. Die Tonne so weit auszufliegen war schon aufregend genug. Ich will jetzt nur noch sicher heimkommen. Ohne einen Höhenmeter zu viel bin ich in den Zielkreis eingeflogen. Was für ein Flug, mir fehlten nur 2 Punkte auf Jelle, der mit seiner ASW24 den Tagessieg einstreicht.
Es folgten ein paar Tage, an denen der Regen kaum mal eine Pause machte. Das Wetter, das ich eine Woche zuvor auf der Hahnweide noch verflucht hatte, wünsche ich mir nun zurück. Wenn es sich mal ein paar Stunden beruhigt, gehen wir in den schönen Wäldern spazieren, verbringen aber einen Großteil der Zeit arbeitend am Schreibtisch. Schließlich bietet sich die Möglichkeit eines weiteren und letzten Wertungstages. Wieder eine kurze AAT bei ziemlich starkem Wind. Ich tu mich etwas schwer beim Abflug, geselle mich dann zu den 18m Fliegern, von denen ich mir ein paar Bärte anzeigen lasse und gehe nach der ersten Wende dazu über, ganz mein eigenes Ding zu machen. Ich halte mich bewusst weit östlich vom Kurs, wo ich mir eine Reihung einbilde. Das hat die Konsequenz, dass ich die Wende am östlichen Ende des Wendekreises nehme und den Schenkel viel länger als nötig ausweite. Ich wende und bin mir sicher, dass ich es in den Sand gesetzt habe. Ich werde nicht mehr nach Hause kommen. Die Steigwerte haben deutlich nachgelassen und das auffindbare Steigen ist nur von kurzer Dauer. Ich treffe Gunter in der Mosquito auf gleicher Höhe. Wir kurbeln zwei Bärte gemeinsam. Beide nehmen nach oben hin stark ab. Ich verliere Geduld und Nerven und fliege allein ab. Über dem Fehla-Tal finde ich Steigen, welches aber nichts weiter als der Hangaufwind der Baumreihe am Abhang zum unlandbaren Tal ist. Das verrät mir ein Blick nach unten, wo gut ein Dutzend Greifvögel an der Baumreihe verspielte Manöver fliegen und dabei gerade mal ihre Höhe halten. Ich hätte bei Gunter bleiben sollen, der sich nun einige hundert Meter über mir und deutlich weiter im Norden langsam Richtung Klippeneck schleicht. So etwas tut richtig weh. Aber man kann sich ja noch genug ärgern, wenn man erstmal mit beiden Beinen wieder sicher am Boden steht. Jetzt heißt es, Schalter umlegen, entspannen und sicher landen.
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass du gewonnen hast“ sagt Uli wenige Minuten später am Telefon. Während ich das Tape abpule frage ich mich, ob das sein kann. Der Tag hat wahrscheinlich nicht viele Punkte gegeben und am ersten Tag lief es ja gut. Das heißt, selbst wenn ich für den Tag nicht viele Punkte bekomme, werde ich vermutlich gut platziert sein.
Wenn die Bedingungen schwierig sind, neigt man scheinbar dazu, das auf die eigene Leistung zu projizieren. Denn der Flug hat mir letztendlich einen Tagessieg beschert und entsprechend mit einigem Abstand den Sieg in der Clubklasse. Ich kann es kaum glauben und freue mich natürlich riesig darüber. Ich stand noch nie zuvor auf dem Treppchen und freue mich insbesondere, dass ich das mit der AM1 geschafft habe. Ich habe dem Flugzeug und damit natürlich dem Förderverein viel zu verdanken. Der Klippeneck-Wettbewerb war ein wirklich schöner Abschluss meiner Zeit als Förderpilotin des AMF. Die LS4 ist einfach ein großartiges Flugzeug für Wettbewerbe. Zu dem erfolgreichen Wettbewerb zählt auch, dass ich mit der AM1 ein Flugzeug geflogen bin, dass einfach, gutmütig und Leistungsstark in seiner Klasse ist und auf dem ich mich lange Zeit fit geflogen habe. Darüber hinaus ist die Unterstützung, die ich seitens des AMF, meinen Trainern und Fliegerkameraden erfahre eine wahnsinnig große Motivation. Ein großer Dank gilt auch der Wettbewerbsleitung, die großartige Arbeitet geleistet haben, sowie den Kameraden und Helfern, die mit dabei waren. Das Abenteuer geht weiter, ab nächster Saison dann mit eigenem Flugzeug.